Schriftenreihe Arbeitskreis Orangerien, Band 4
Orangerien – Von fürstlichem Vermögen und gärtnerischer Kunst
Rezension von Margita M. Meyer
Mit der vierten Veröffentlichung der Schriftenreihe des Arbeitskreises Orangerien in Deutschland wurden die Vorträge dokumentiert, die auf den
Jahrestagungen
des Vereins in Großsedlitz (Sachsen) und Weimar (Thüringen) 1997 und 1998 gehalten wurden. Wie schon in den vorangegangenen Bänden beleuchten auch die vorliegenden Artikel das Thema Orangerien aus ganz unterschiedlicher Perspektive. Das Themenspektrum reicht diesmal von der Geschichte der Orangeriekultur in Sachsen und Weimar über Fragen denkmalgerechter Sanierung und aktueller Nutzungsmöglichkeiten von Orangerie- und Gewächshausbauten bis hin zu zwei Abhandlungen, die sich mit speziellen Orangeriepflanzen, den Gattungen Jasminum und Cupressus, befassen.
Band 4 „Orangerien – Von fürstlichem Vermögen und gärtnerischer Kunst“ enthält zehn Beiträge verschiedener Autoren auf 122 Seiten und leider nicht nummerierte 59 Abbildungen davon 12 in Farbe, zahlreiche Pflanzenlisten und 4 Inventare aus Dresdner Gärten im Anhang. Insgesamt wieder eine ansehnliche, qualitätvolle Zusammenstellung der Erkenntnisse und Befunde, die allerdings der sächsischen und der thüringischen Orangerie- und Gartenkultur nur teilweise gerecht werden. Denn beide Länder müssen als durchaus führend in der deutschen Gartengeschichte bezeichnet werden – zumindest was das 17. und das frühe 18. Jahrhundert betrifft. Die sächsische und die thüringische Gartenkunst- und -kulturgeschichte weist noch erheblichen Forschungsbedarf auf, obwohl in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen wurden, diese Defizite auszugleichen. Zu nennen sind die große sächsich-polnische Gemeinschaftsausstellung „Barocke Gartenkunst in Polen und Sachsen (1697-1763)“, die 1997 in Dresden und Warschau gezeigt wurde, die Fachtagung, die vom 6.-7.10.2000 anlässlich des 350. Geburtstages von Johann Friedrich Karcher und des 150. Geburtstages von Johann Karl Friedrich Bouché in Dresden stattfand, sowie für die Thüringer Gartenkunst die kürzlich erschienene Monografie zur Gartenkunst in Thüringen „Paradiese der Gartenkunst“ in Thüringen 2003.
Die ersten fünf Beiträge des Bandes zur Entwicklung der sächsischen Orangeriekultur von Roland Puppe, Jens-Uwe Anwand, Christa Pohle und Dorothee Schlüter verdeutlichen, dass auch die sächsische Orangerieforschung noch am Anfang steht und es weiterer Nachforschungen bedarf, bevor eine wertende Zusammenschau möglich wird. Zumindest die Beiträge von Puppe und Schlüter geben eine Vorstellung davon, wie reichhaltig und fruchtbar die überlieferten Quellen sind.
Aus wissenschaftlicher Perspektive stellt der einleitende Artikel von Roland Puppe, langjähriger Gartenreferent der Sächsischen Schlösserverwaltung, „Zur Geschichte der Orangerie-Garten-Kultur am sächsischen Hof“ den Höhepunkt des Bandes dar. Allein 122 Fußnoten belegen, dass im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden eine Fülle von Dokumenten vorhanden ist, die er zumindest für den Herzoginnengarten intensiv studiert hat. Der Titel seines Beitrags lässt einen kursorischen Überblick über das Thema durch die Jahrhunderte erwarten, der jedoch nur teilweise geleistet wird. Zumindest in einem Untertitel hätte darauf hingewiesen werden sollen, dass es sich hierbei um eine Zusammenfassung bisheriger Veröffentlichungen und eine chronologische Zusammenstellung archivalischer Befunde aus dem Hauptstaatarchiv handelt. Da bisher nur drei Dissertationen zur sächsischen Gartenkunst in den letzten 100 Jahren erschienen sind - 1910 von Hugo Koch (Reprint), 1962 von Klaus Mertens zum Park in Großsedlitz (nicht publiziert in einem Buch) und 2000 von Harald Blanke zum Großen Garten in Dresden (ebenfalls noch nicht publiziert), können die sächsischen Forschungsdefizite Puppe nicht angeheftet werden. Er bezieht seine Forschungsergebnisse auf die zweifellos fundierteste und umfangreichste Arbeit von Hugo Koch, dessen Dissertation „Die Sächsische Gartenkunst“ 1999 letztmalig reprintet wurde.
Puppe gliedert seinen Beitrag chronologisch anhand der ausgewerteten Quellenbefunde (1575-1591, 1591-1670, 1670-1710 etc. bis 1880). Er beginnt mit dem ersten nachweisbaren Quellenbeleg (1575) - den 4 Pomeranzenbäumen, die anlässlich des Besuchs Kaiser Maximillian II. (1527-1576) in Dresden dem sächsischen Kurfürsten von Prag nach Dresden als Geschenk durch den Gärtner Anthony Melohn überbracht wurden.
Das erste feste Orangeriegebäude wurde am sächsischen Hof 1591 im „Churfürstlichen Pommeranzen Garten zu Dresden“ errichtet – dem späteren sog. Herzoginnen-Garten der Kurfürstenwitwe Sophia von Brandenburg (1568-1622). Deren Enkelin Marie Elisabeth (1610-1684) heiratete 1630 in Dresden den Gottorfer Herzog Friedrich III. (1597-1659), der den berühmten Terrassengarten italienischer Manier („Neuwerk-Garten“) in Schleswig anlegen ließ. Anlässlich dieser Hochzeit sind nicht nur Bilder des großartigen Feuerwerks, sondern auch Pflanzenlieferungen von Dresden nach Gottorf überliefert, wie Puppes Recherchen belegen. Diese Spur nimmt er auf unter Zuhilfenahme der Dissertation zur Gottorfer Gartenkultur von Michael Paarmann. Dass bereits Ende des 16. Jahrhunderts ein festes Orangeriegebäude in Dresden vorhanden war, stellt Puppe anhand der Belege lediglich bescheiden fest. Er widerlegt damit die Ausführungen von Paarmann in seiner Dissertation von 1986, die die Entstehung der ersten festen Überwinterungshäuser nördlich der Alpen erst um 1700 vermutete. Dass bereits im Zeitalter der Renaissance, die Orangeriekultur auch praktisch in die Gartenkultur Deutschlands eingeführt wurde, darf mittlerweile für alle führenden Fürstenhöfe angenommen werden, wenn auch die Quellenbelege dafür noch nicht gefunden worden sind. Die materiellen und geistigen Verwüstungen, die aufgrund des Dreißigjährigen Krieges in Mitteleuropa zu einem Kulturbruch führten, der erst in Laufe zweier nachfolgender Generationen wieder überwunden werden konnte, werden von Gartenforschern immer wieder unterschätzt. Die leider spärlichen Quellen des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts belegen jedoch, dass die Gartenkultur in Europa fast 100 Jahre später erst wieder den vorherigen Stand erreicht hatte.
So ist auch ein Inventar des Herzoginnengartens erst 1670 nachweisbar, das ausführlich vorgestellt wird. Neben der Nennung der überlieferten Pflanzen orientiert Puppe den Argumentationsstrang seiner Ausführungen zur Entwicklung der Orangeriekultur an den in den Quellen genannten Hofgärtnern und an überlieferten Pflanzenlieferungen zu verschiedenen familiären und politischen Anlässen. Über die Dresdner Hofgärtner ist bisher wenig bekannt: Den Anfang machte Jeremias Bertram, es folgten Georg Winger, Christian Peukers (gestorben 1633), Wolff Rauen (ab 1633), Georg Rauen, Johann Peter Kurz, Andreas Göttler und seine Suchanfrage endet mit Georg Meister (1653-1713). Von letzterem sind allerdings nicht nur seine Lebensdaten bekannt, sondern er veröffentlichte 1692 ein Gartentraktat „
Der Orientalisch-Indianische Kunst– und Lust- Gaertner
“, das aufgrund eines DDR-Reprints von 1973 der Gartenforschungsgemeinde bekannt ist. Mit dem kurfürstlichen Obergärtner im Großen Garten in Dresden Johann Friedrich Karcher (1650-1726) begann die Blütezeit des sächsischen Barockgartens, über die es mittlerweile eine Fülle von Veröffentlichungen und Forschungsergebnissen gibt, die Puppe im folgenden zusammenfasst. Sein Beitrag endet 1880, dem letzen Jahr als Orangeriepflanzen im Dresdner Zwinger aufgestellt wurden.
Der nachfolgende Beitrag von Jens-Uwe Anwand gibt einen historischen Überblick über die Baugeschichte der
Unteren und der Oberen Orangerie im Barockgarten Großsedlitz
, die anhand bauhistorischer Untersuchungen erläutert werden. Diesmal gibt der Untertitel korrekt wieder, was der Beitrag einlöst: „Aspekte der denkmalgerechten Wiederherstellung und Nutzung“. Ein zufriedenstellender Bericht über die Wiedergewinnungs- und Restaurierungsarbeiten der letzten Jahrzehnte in Großsedlitz. Für den interessierten Orangerieforscher und den mit ähnlichen Bauten betrauten Denkmalpfleger hätte man sich jedoch manches Detail genauer gewünscht. So z.B. eine genaue Zeichnung, wie das Kaltdach einer Orangerie aussieht, genaue Größenangaben der Orangerien, ein Fensterdetail, der im 19. Jahrhundert eingebauten Stahl-Einfachfenster, die Erläuterung der historischen Heizungssysteme u.ä.
Der Beitrag von Christa Pohle, der schlicht und einfach den Titel „Neue Nutzungen der Orangerien“ bekommen hat, enthält eine kurze Wiederholung der historischen Fakten und beschreibt die Aktivitäten der Verwaltung in den Orangerien von Großsedlitz in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Klaglos werden die Ansprüche des wiedervereinigten Deutschlands auf barocke Repräsentation anerkannt, gutmütig-pragmatisch wird die (Weiter-) Nutzung der Oberen Orangerie als Sommer-Cafe (saniert und mit neuen Möbeln versehen) vorgestellt und die Wiedernutzung der Unteren Orangerie als Pflanzenhaus positiv hervorgehoben, was zweifellos eine Leistung ist, die man hätte betonen können! Dass der Schlossbetrieb der Sächsischen Schlösserverwaltung die Veranstaltungen kontrolliert, wird allein als Hoffnungsgarant ausgegeben, dass denkmalzerstörerisches Verhalten in den Orangerien für die Zukunft ausgeschlossen werden kann. Die notwendige Diskussion, ob und wenn ja, wie die alten barocken Orangerien heute (noch) genutzt werden können, ist damit eröffnet – die Konfiktlinien, die dieses Thema enthält, wurden jedoch nicht aufgezeigt. Die Beiträge von Dorothee Schlüter „Die Untere Orangerie im Barockgarten Großsedlitz“ und von Roland Puppe „Über die Orangerie und den Ober-Lustgärtner des Sächsischen Gartens in Warschau (1713-1739)“ – Joachim Heinrich Schulz – müsste man ergänzen – enthalten profunde Quellenrecherchen zur Geschichte der jeweiligen Orangerien.
In Schlüters Beitrag tauchen jedoch Widersprüche auf zu den Angaben von Anwand, der auf S. 32 ausführt, dass die Untere Orangerie bis 1725 fertiggestellt wurde, während Schlüter mit Bezug auf die Dissertation von Mertens ausführt (S. 53), dass die Untere Orangerie erst 1727 begonnen wurde. Gelöst werden kann der Widerspruch wohl dadurch, dass Anwand von einem Vorgängerbau „dem Alten Gewächshaus“ nichts zu berichten weiß, während Schlüter in ihrem Beitrag dieses nicht nur beschreibt, sondern auch gleich zweimal abbildet: 1. Auf S. 54 allerdings hier mit der fehlerhaften Bezeichnung „Untere Orangerie“ – es müsste hier der Vorgängerbau – also „das alte Gewächshaus“ betitelt werden (dann stimmt die Datierung von um 1720 wieder). 2. Ein Guckkastenbild der Großsedlitzer Gartenanlage von Thiele, das mit 1723 datiert ist, und an der Stelle der jetzigen Orangerie eine nur mit Lupe erkennbare, viel zu klein gezeichnete Orangerie abbildet (S. 52), die mit der Grund-, Aufriss- und Schnittzeichnung der falsch untertitelten Abbildung auf S. 54 offensichtlich identisch ist. Unkommentiert bleibt in beiden Beiträgen ein Gebäude oberhalb der Futtermauer der Unteren Orangerie, das auch wie eine Orangerie aussieht. Zusammengefasst: Es gab einen Vorgängerbau – der in den Quellen als „altes Gewächshaus“ bezeichnet wird - und die heutige Untere Orangerie wurde ab 1727 nach Plänen von Zacharias Longuelune gebaut und war spätestens 1733 als August der Starke starb, fertiggestellt.
Puppes Beitrag zum Sächsischen Garten in Warschau ist, wie wir es schon bei seinem einleitenden Beitrag sahen, von intensiven Quellenrecherchen und zahlreichen Fußnoten begleitet, die jeden Gartenforscher begeistern. Allerdings können Bezüge zwischen den zwei abgebildeten Gartenplänen und dem Text kaum hergestellt werden, zeigen doch beide Pläne Zustände (?) des Sächsischen Gartens in der Blütezeit des Barocks, während sich der zugehörige Text auf Quellen des frühen 18. Jahrhunderts bezieht.
Clemens Alexander Wimmers Beitrag "Die Jasmine im Renaissance- und Barockgarten" beschließt die Beiträge der Großsedlitzer Tagung. Dieser Beitrag ist Helmut Giese gewidmet, der als langjähriges Mitglied des Arbeitskreises aufgrund seines plötzlichen Todes dieses Pflanzenportrait nicht fertig stellen konnte. Von den 200 bis 300 Arten, die die Gattung Jasminum im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht hat, müssen die Orangeriegärtner glücklicherweise nur sieben Arten interessieren. Diese sieben stellt der Autor in gewohnter Präzision und Sachkenntnis dar: J. officinale L., J. humile L., J. fruticans L., J. grandiflorum L., J. sambac Ait., J. odoratissimum L. und J. azoricum. Alle Arten werden durch Interpretation ihrer Namen, Eigenschaften, Verbreitung und Verwendung ausführlich vorgestellt und in historischen Abbildungen vorgestellt. Hier kann man den an historischer Pflanzenverwendung interessierten Leser nur empfehlen: nachlesen und studieren!
Von ehemals 8 gehaltenen Vorträgen konnten im Tagungsband lediglich die Beiträge von Doris Kohl, Sibylle Hoimann und Angelika Schneider aus Thüringen abgedruckt werden.
Doris Kohl beschreibt die Bauschäden und wissenschaftlichen Voruntersuchungen zur Sanierung der fünf verschiedenen Gebäude des Belvederer Gebäudekomplexes: Schwanenhaus, Krummes Haus mit Pavillons und das mittig angeordnete Gärtnerwohnhaus, sowie das Neue und das Lange Haus. Dass dieser gesamte, erhaltene (!) Gewächs- und Gärtnerwohnhauskomplex in Weimar ein außerordentliches Ensemble der Gewächshauskultur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts darstellt, erwähnt sie leider nirgendwo, wird aber in dem folgenden Beitrag von Sibylle Hoimann, die dies am Beispiel des Langen Hauses ausführt, deutlich.
Kohl beschränkt ihre Ausführungen auf ein Gutachten und die Untersuchungen des Restaurators Karl-Heinz Bastian, die insbesondere für die Farbigkeit der Gebäude, die Putze (gefördert von der DBU in Osnabrück), aber auch für die Herstellung der verschiedenen Fenster wertvolle Details und Argumente für den praktischen Denkmalpfleger enthalten. Auch ein abgebildetes Musterfenster des Büros 131, dessen Mitarbeiterin sie ist, (S. 81) zeigt, dass denkmalgerechte Fenster auch für Orangerien noch heute gebaut werden können. Die Diskussion verschiedener denkmalpflegerischer Entscheidungsprozesse gerät zwar hin und wieder zu kurz, trotzdem werden entscheidende Argumente pro und contra vorgebracht. Die in den 1970er Jahren teilweise eingebrachte Isolierverglasung, die sog. „zimmermannsmäßige“ (S. 79) Instandsetzung der Dachkonstruktion – für jeden Praktiker in der Denkmalpflege eigentlich ein Alarmbegriff für „nicht denkmalgerecht“ - und die angeblich notwendige Einziehung eines „wasserführenden Unterdachs“ für die Schieferdächer der Pavillons werfen Fragen auf, die nicht beantwortet werden.
Sibylle Hoimanns Beitrag zum Langen Haus „Zwischen Treib-Hauss und Wintergarten“ verdeutlicht, wie schwierig es für den Orangerie- und Gewächshausforscher ist, bestimmte noch erhaltene oder gar nur in den Akten überlieferte Pflanzenhäuser zu typologisieren. Jede Generation hat an diesen Nutzgebäuden an-, um – und neugebaut. Je länger diese Gebäude als Pflanzenhäuser genutzt wurden, um so komplizierter stellt sich ihre Baugeschichte dar. Das Lange Haus, von Hoimann als „Gewächshaus-Orangerie“ ausgewiesen, wird in den Quellen seiner Entstehungszeit 1759/60 als „Treibe Hauß“ oder „langes Glashaus“ bezeichnet, was darauf schließen lässt, dass von Anfang an sein Nutzwert und nicht seine repräsentative Funktion im Vordergrund stand. Mit vier Abteilungen und einem Heizgang verfügt es über einen klassischen Grundriss und mit einer Länge von 53 m und einer Tiefe von 10 m über beachtliche Ausmaße. Ein Lageplan (S. 84) zeigt nun auch die verschiedenen Gebäude des Ensembles in Belvedere und spätere Anbauten, wie Neues Haus (ab 1808) und Roter Turm (1819). Im folgenden zeichnet Hoimann die Entwicklung des Langen Hauses und seiner Anbauten im 19. Jahrhundert nach: Einbau einer Kanalheizung statt der einzelnen Öfen (nach 1820), Einbau von Eisen-Glasfenstern und Geradestellung der ehemaligen Schrägstellung der Fenster, sowie ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts eine neue Repräsentationsfunktion solcher Gewächshäuser, indem sie Brunnen und Felspartien enthielten zum winterlichen Lustwandeln. Man kann davon ausgehen, dass die Innenraumtemperatur im Laufe des 19. Jahrhunderts stetig stieg. Dies nicht nur weil, die technischen Möglichkeiten dies ermöglichten (Kanalheizungen), sondern weil auch die Pflanzen der kolonialen Gebiete, die eben nicht in den gemäßigten, sondern in den tropischen und subtropischen Gebieten lagen, bis in die Kaiserzeit hinein zur Schau gestellt werden sollten.
Der Umbau des Langen Hauses zum Palmenhaus, was den Einbau von Oberlichtern (Verglasungen im Dach) und eine Erhöhung des Gebäudes erfordert hätte, um die hohen Palmen zu beherbergen, wurde zwar nicht realisiert, aber zeitgemäß in vielen Quellen angestrebt.
Nach Abschluss der Umbauarbeiten (1871) war das ehemalige „Orangerie-Gewächshaus“ zum Wintergarten geworden. Die Schlängelwege, begleitet von Selaginella-Rasen, luden nun zum Lustwandeln im Innenraum ein, begleitet von Tuffstein-Felspartien, an denen sich auch tropische Schlingpflanzen entwickeln konnten. So zog der englische Landschaftgartenstil, der den Park-Außenraum beherrschte, mit etlicher Verspätung auch in den Innenraum der ehemaligen Orangerien und Gewächshäusern ein. Hoimanns Beitrag verdeutlicht, dass sich die barocken Orangerieforscher auch verstärkt mit den Entwicklungen im 19. Jahrhundert auseinandersetzen müssen, wenn sie die baulichen, technischen und ästhetischen Gehalte der überlieferten Orangeriebauten verstehen wollen. Oft werden in den Inventaren und Listen der Denkmalpfleger „Orangerien“ erwähnt, die als Orangerien schon lange nicht mehr dienen, sondern vielmehr als Palmenhäuser und Wintergärten nach grundlegenden Umbauten im 19. Jahrhundert anzusprechen sind. Dass im Laufe des 19. Jahrhunderts viele ehemals barocke Orangerien, wenn sie als Bauten überhaupt erhalten blieben, einen tiefgreifenden Bedeutungswandel durchmachten, verdeutlicht Hoimann in ihrem Beitrag vorbildhaft. Unter Hinzuziehung erreichbarer Sekundärliteratur wie Neumanns „Glashäuser aller Art“ von 1852 und Georg Kohlmaiers und Barna von Sartorys veröffentlichten Buch von 1981 „Das Glashaus - ein Bautypus des 19. Jahrhunderts“ hätte ihre historische Entwicklungsgeschichte, die zu sehr in den eigenen Recherchen gefangen bleibt, noch untermauern können.
Angelika Schneiders Beitrag zum Tempelherrenhaus in Weimar – „Metamorphosen eines Gewächshauses“, greift noch einmal auf vorangegangene Epochen zurück. Am Beispiel des alten Orangenhauses im Welschen Garten in Weimar beschreibt sie die „Vorgeschichte“ der Orangenkultur in Belvedere. Die Entwicklung dieses Hauses von einem Gewächshaus über ein Orangenhaus zu einem „Gothischen Salon“ mit nachfolgender Umnutzung zu einem Parkorangenhaus und anschließender Nutzung zum Sommerhaus der großherzoglichen Familie hin zu einem heute noch erhaltenen, ruinösen Staffagebauwerks im Park an der Ilm, zeichnet die Grundlinien der Gartenkunstgeschichte nach. Sie zeigt, dass die Anfänge der Orangeriekultur auch in Thüringen vor dem Dreißigjährigen Krieg zu belegen sind, wenn auch die Quellen wiederum nur spärliche Angaben erlauben. Allerdings unterlaufen ihr in ihrer Darstellung der Entwicklungsgeschichte einige wenig überzeugende Interpretationen: Die 1650 von dem Weimarer Baumeister Johann Moritz Richter, der auch für den Wiederaufbau der Residenz nach dem großen Krieg genannt wird, entworfene „Schnecke“ kann m. E. nicht mit einem „Lindenhaus“ genannten Gebäude identifiziert werden (S. 97), es stellt vielmehr ein Treillagepavillon dar, von denen Merians Stich (1650) allerdings mehrere enthält. Auch erstaunt die Tatsache, dass 1668/70 ein neues „Gewächshaus“ (S. 97) im Welschen Garten erbaut wurde, obwohl der Herzog Johann Ernst II. (1627-1683) kein Interesse an der Gartenkunst gehabt haben soll, keineswegs. Erstens werden hier wieder die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges nicht berücksichtigt und zweitens wird nicht beachtet, dass der Bau eines Gewächshauses zur damaligen Zeit durchaus auch wirtschaftliche Funktion hatte – und eben nicht nur der Gartenlust des Fürsten diente oder gar Ausdruck fürstlicher Verschwendungssucht waren. Dieses Argument ist ein bürgerliches des 19. Jahrhunderts nach der Französischen Revolution und kann nicht rückwirkend auf das Verhalten eines Fürsten im 17. Jahrhundert angewendet werden! Diese Beispiele mögen genügen, um zu verdeutlichen, dass für die Auswertung historischer Gartenakten ein faktisches und chronologisches Beschreiben allein zu einigen Fehleinschätzungen führen kann. Grundlegende historische Kenntnisse der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der jeweiligen Gesellschaft sind notwendig, um zu einer plausiblen Interpretation der Befunde zu kommen. Ein Planvergleich der zahlreichen Weimarer Stadt- und Gartenpläne, nicht nur der abgebildeten, hätte doch eindeutigere Erkenntnisse insbesondere der früheren Entwicklungsgeschichte des Welschen Gartens im 16. und 17. Jahrhundert gebracht. Im zweiten Teil hätte das Studium der zahlreichen sekundären Literatur zur „Gotik“ bzw. zur „Neo-Gotik“, die in keiner Fußnote erwähnt wird, doch zu weitergehenden Interpretationen des Tempelherrenhaus geführt, das erst im Zweiten Weltkrieg zur Ruine gebombt wurde.
Den Tagungsband Nr. 4 beschließt ein Beitrag von Ruprecht Düll: „Die Gattung Cupressus (Cupressacaea). Systematische Stellung der echten Zypressen, Cupressus“, der verrät, dass ein profunder Kenner der Botanik sich hier äußert. Noch heute sind elf, wohl über 200 Jahre alte Exemplare der Echten Zypresse in Weimar erhalten, die wohl um 1735 bzw. um 1744 eingekauft wurden. Die als Mittelmeerzypresse bezeichnete immergrüne, frostempfindliche Zypressenart wird bei den Engländern „Italian Cypress“ und bei den Franzosen einfach „Cyprès“ genannt. Über die römischen und griechischen Bezeichnungen leitet er ihren Namen auf ihr Herkommen von der Mittelmeerinsel „Zypern“ ab. Eine abschließende Liste der dem Autor bisher bekannten Arten verdeutlicht seine langjährige Beschäftigung mit der Gattung und bietet dem an historischer Pflanzenverwendung interessierten Gärtner wichtiges Material. Leider enthält der Beitrag nur eine schwarz-weiße Abbildung ohne Untertitel (S. 108), auf der man Zypressen in Kübeln erkennen kann – wohl ein Orangerie-Stich aus Volkamers „Nürnberger Hesperiden“.
Insgesamt bietet der Tagungsband Nr. 4 eine spannende Lektüre für alle an der Geschichte der Orangeriekultur Interessierten. In keiner privaten und öffentlichen Gartenforschungsbibliothek sollte dieser Tagungsband fehlen. Er ist Aufforderung und Ansporn zugleich – weiterzuforschen – zur Vermehrung der gewonnenen Erkenntnisse.
Zuletzt sei auch die engagierte Mitarbeit der Dresdener Professorin für Gartenkunstgeschichte, Erika Schmidt, erwähnt, die für die Jahrestagung in Sachsen wesentliche Beiträge geliefert hat, die allerdings nicht im Tagungsband dokumentiert sind. Eine Ausstellung zu sächsischen Orangerien in Großsedlitz wurde gezeigt und in einem vervielfältigten Manuskript „ ... die dahero auch Orangerien heissen, da man im Winter als in einer Galerie spatzieren kann“. Orangerien in Sachsen. Eine Auswahl.“ veröffentlicht wurden. 104 sächsische Orangerien konnte Sabine Knöfel vom Landesdenkmalamt bisher listen, der Reader beschreibt immerhin 11 Orangerien ausführlich. Zehn Studenten haben in einem einsemestrigen Vertiefungsseminar an der TU Dresden unter Leitung von Frau Prof. Schmidt und Frau Dr. Simone Balsam wahrlich beeindruckend belegt, dass profunde Forschungsergebnisse zur sächsischen Orangeriekultur auch in nur einem Semester vorgelegt werden können. Bleibt zu hoffen, dass daraus der eine oder andere in absehbarer Zeit nicht nur seine Diplomarbeit, sondern auch weitere Dissertationen zur sächsischen und polnischen Gartenkunstgeschichte fertigstellen kann.
Dr.Margita M.Meyer