Im Zeichen des Orangenbaums
Beitrag von Simone Balsam
Ganz im Sinne dieser Worte, lieber Heinrich, haben wir unsere Italien-Exkursion „Weg der Zitrus“ 2007 mit dem Hofmann’schen Motiv des orangenpflückenden Knaben ver-sehen. Dir war diese Illustration arkadischen Lebens besonders wichtig – kann es sein, dass es damit zusammenhing, dass im Jahre 1979, als ein kleiner Arbeitskreis sich erstmals in Potsdam zusammenfand, um über die richtige Kultur der Zitrus zu beraten, solches Tun in himmelweiter Ferne schien?
Die kleine Gruppe, die sich zunächst nahezu konspirativ traf, vereinte Betreuer histo-rischer Orangeriebestände aus neun verschiedenen Parkanlagen mit Kollegen aus Denkmalpflege und botanischen Gärten. Die Initiative war
Dr. Harri Günther
zu verdanken, dem damaligen Gartendirektor von Sanssouci, ständigen Förderer und Begleiter des Orangeriegedankens. Schon bald zog er sich jedoch aus der ersten Reihe zurück, vom Sekretär wurdest Du zum Leiter. Vom Gartenbau herkommend und in der Obst- und Gemüseproduktion des heimischen Zerbst erprobt, hattest Du, Heinrich, in den historischen Anlagen Deine eigentliche Aufgabe gefunden.
Mit der Liebe zur Orangerie-Pflanze wuchs auch das wissenschaftliche Interesse an ihrem Gedeihen, ihrer Kultur: Welche Erden brauchen Zitrus, wie soll die Düngung, die Schädlingsbekämpfung erfolgen, wie sehen gute Pflanzgefäße aus, was charakteri-siert die Winterhäuser, ihre Beheizung, Belüftung und Schattierung? Welche Pflan-zen gehören zu einer Orangerie und welche zur Gattung Citrus? Und immer wieder: Wie sah das alles in historischer Zeit aus und warum betrieben Menschen, die kaum die Pflanzen unbeschadet über die Alpen transportieren, von der Herstellung großer Glasflächen und müheloser Heizungssteuerung allenfalls träumen konnten, all diesen Aufwand?
Bis 1989 tagte die allmählich wachsende Gruppe regelmäßig mit dem Ziel, den nach 1945 auf dem Gebiet der DDR noch vorhandenen Orangeriebeständen mehr Aufmerksamkeit zu widmen und die kostbaren Pflanzensammlungen zu alter Größe zu bringen. Wie schrieb die ZEIT? „Ein Kuriosum am Rande: Nach der Wende ist der Westen beigetreten" – schon bald hattest Du die Schloss- und Gartenverwaltungen, Denkmalämter, Universitäten und weitere Gleichgesinnte informiert und interessiert. Zur ersten gesamtdeutschen Tagung in Schloss Seehof bei Bamberg 1991 kam eine erste, eindrucksvolle Exkursion nach Italien, von der wir nicht nur neue Erkenntnisse über die Kultivierung der Limoni in der Toskana mitbrachten, sondern vor allem den Vorsatz zur Gründung eines eigenen bundesweiten Vereins, der 1993 in die Tat umgesetzt wurde. Mit viel Enthusiasmus und Beharrlichkeit hast Du die Vorstandsarbeit betrieben, die jährlichen Tagungen organisiert, die Themen weit im Voraus gesammelt, die wechselnden Exkursionen ins In- und Ausland (Italien, Niederlande, Frankreich, Dänemark und Schweden, Belgien, Sizilien, Tschechien) geplant. Hinzu kam seit 1998 alle zwei Jahre ein spezielles Pflanzenseminar, um die Fragen der Pflanzen-kultivierung gegenüber den kunst- und kulturhistorischen Themen ausreichend zu gewichten. Aufbau neuer Pflanzensammlungen, Restaurierung desolater Orangeriegebäude, die Organisation von Ausstellungen, eine Vielzahl von Veröffentlichungen, der Beginn der Inventarisation der Orangeriebauten in Deutschland: Allenthalben sind die Spuren Deines Wirkens und die Früchte des Arbeitskreises sichtbar. Das Thema Orangerien ist ein so wunderbares und faszinierendes, da es verschiedenste Fachgebiete vereinigt.
Dir, Heinrich, war von Anfang an die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Forschung in unserem Verein ein besonderes Anliegen. Nicht minder wichtig waren Dir die persön-lichen Kontakte, von leidenschaftlichen Fachdiskussionen und intensiven Gesprächen bis hin zu fröhlichen Festen. Der Arbeitskreis verdankt Deiner stets fördernden, aber auch fachlich-kritischen Begleitung, dass heute gleichermaßen Wissenschaftler und Praktiker zahlreicher Professionen ihr Wissen dort einbringen, und dies über die Grenzen Deutschlands hinaus. Nicht erst seit der internationalen Tagung mit ICOMOS im Jahre 2005 ist die Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn ein Thema.
Als Du im Jahr 2008 den Vorsitz abgeben wolltest, konnte jedes Mitglied zur Tagung in Glienicke ein Vortragsthema seiner Wahl anmelden. Wir hielten damit Rückschau auf bereits Geleistetes und zeigten Wege in die Zukunft auf: Viel bleibt zu tun, noch mehr zu erforschen. Dies war immer Dein Anliegen. Wir haben den Wandel eines kleinen Kreises von Eingeweihten zu einem international beachteten Fachgremium miterlebt – hierfür sei Dir mit dieser Publikation Dank gesagt.
Zitiert aus: Goldorangen, Lorbeer und Palmen – Orangeriekultur vom 16. bis 19. Jahrhundert. Orangeriekultur Band 6. Schriftenreihe der Arbeitskreises Orangerien in Deutschland e.V. (Hrsg.). Petersberg 2010, S. 7-8.
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