Schriftenreihe Arbeitskreis Orangerien, Band 3
Allerley Sorten Orangerie
Rezension von Margita M. Meyer
Der Band 3 »Allerley Sorten Orangerie« enthält 11 Beiträge verschiedener Autoren auf 135 Seiten, 58 Abbildungen, davon 27 in Farbe, 2 Pflanzentabellen und 9 Inventare im Anhang. Insgesamt eine ansehnliche, qualitätsvolle Zusammenstellung der Erkenntnisse und Befunde, die bei den Vorträgen und Besichtigungen der 16. Tagung in Hannover-Herrenhausen (1995) und bei der 17. Tagung in Karlsruhe und Schwetzingen (1996) gewonnen und vorgestellt wurden.
Die ersten vier Beiträge zur Entwicklung der Orangeriekultur in Hannover-Herrenhausen von Heike Palm, Hubert Rettich, Wolfram Hübner und Cord Panning verdeutlichen den profunden und weit fortgeschrittenen Forschungsstand der Hannoveraner Gartenforschung. Sie alle sind Schüler der Technischen Universität, wo einst Dieter Hennebo und in der Nachfolge Jörg Gamer und heute Michael Rohde zusammen mit anderen die deutsche Gartenkunstforschung begründeten und voranbrachten. Die räumliche Nähe der universitären Ausbildungsstätte zu der Herrenhäuser Gartenverwaltung, die die berühmten Herrenhäuser Gärten betreut, ermöglicht eine ideale Verbindung wissenschaftlicher und praktischer Zusammenarbeit.
Der Beitrag des ehemaligen Gartendirektors der Staatlichen Schlösser und Gärten in Potsdam-Sanssouci, Harri Günther, »Anmerkungen zum Orangerie-Parterre«, lässt einen Praktiker und Wissenschaftler gleichermaßen zuWort kommen. Sein Beitrag gibt einen souveränen, profunden und mühelos lesbaren Überblick über die Entwicklung der Orangerieparterres, der so noch nirgends geschrieben wurde. Seine Quellen sind allemal bekannt, so daß er auf Fußnoten verzichten konnte.
Clemens Alexander Wimmers Vortrag »Von denen Lust- und Blumen-Bäumen. Das Kübelpflanzensortiment in Renaissance und Barock« beschließt die Beiträge der Hannoveraner Tagung. Sein Beitrag ist das Ergebnis seiner jahrelangen Forschungen zur historischen Pflanzenverwendung und basiert auf der Auswertung zahlreicher Inventare, die er sich meist selbst mühsam aus den historischen Büchern und aus den von anderen Forschern zur Verfügung gestellten – oft unveröffentlichten - Archivbelegen zusammengestellt hat.
Seine tabellarischen Übersichten der in den Orangerien verwendeten Pflanzen, chronologisch sortiert und mit Kurzangaben ihrer Einführungsgeschichte und ihren Herkunftsorten versehen, stellen eine große Hilfestellung für die Praktiker dar, die an den jeweiligen Orten Orangeriepflanzen betreuen und hier Anregungen finden, um ihre botanische Sammlungen authentischer mit weiteren historischen Arten zu bereichern. Die in den Listen enthaltene Konkordanz historischer Pflanzennamen mit der Bestimmung der Pflanzen in der heute üblichen binären Nomenklatur ermöglicht es selbst Nicht-Botanikern, viele der in den historischen Inventaren überlieferten Pflanzen nachträglich zu bestimmen.
Der Forschungsstand zu den Orangerien in Baden ist dagegen noch lückenhaft und recht kursorisch geschrieben, wie die nachfolgenden Beiträge von Werner Schuhmann, Helmut Carolus, Thomas Huber und Simone Balsam zeigen.
Der barocke Lustgarten und die barocke Stadtgründung des Markgrafen Carl Wilhelm von Baden-Durlach in Karlsruhe scheint weitgehend unerforscht zu sein. Der Beitrag von Werner Schuhmann enthält nur einen recht oberflächlichen Überblick zur Geschichte und gibt sich letztlich mit der Beschreibung des bekannten Kupferstichs von 1739 zufrieden. Keinerlei Quellen- und Literaturangaben verraten Weitergehendes. Man hätte gerne gewußt, ob mehr von dem Lustgärtner Christian Thran bekannt ist, der dänischer Herkunft sein soll – nur wegen seines Namens? Daß die zahlreichen Orangenbäume in den Längs- und Queralleen aufgestellt wurden und daß »dreifache Alleen« (dreireihige oder sechsreihige?) an den Orangerie- und Marstallgebäuden entlang führten, muss man glauben – auf dem Kupferstich kann ich nur eine einfache (zweireihige) Allee erkennen. Allerdings ist der Kupferstich zu klein abgebildet, um lesbar zu sein.
Die beiden folgenden Beiträge zur Entwicklung der Orangerien und Gewächshäuser im Botanischen Garten Karlsruhe, einer Teilfläche des Schlossgartens, von Helmut Carolus und Thomas Huber bieten dagegen einen tiefen Einblick in die Fülle des überlieferten Materials und verdeutlichen, daß die Markgrafen und späteren Großherzöge von Baden im 18. Jahrhundert aber auch noch im 19. Jahrhundert dem Wettstreit mit den anderen deutschen Fürstenhöfen durchaus gewachsen waren. Die Bewertung und Bedeutung der Badischen Orangeriekultur kann angesichts der Forschungslücken der anderen Residenzen noch nicht vorgenommen werden, da ein Überblick, wie oben erwähnt, nach wie vor nicht vorliegt.
Der »Situations-Plan des Großherzogl. Botanischen Gartens zu Carlsruhe nebst dem Grundriss, Aufriss u. Durchschnitt sämtlicher Gewächshäuser«, 1825 von dem Hofgärtner Andreas Hartweg aus Durlach angefertigt und als gefalteter Plan dankenswerter Weise dem Band beigelegt, enthält die gesamte Entwicklung der Orangerie- und Gewächshausbauten bis 1825 im Kleinen: drei verschiedene Orangerien (also Kalthäuser), ein großes und ein kleines Glashaus für tropische Pflanzen (Warmhaus) und für Cap-Pflanzen und Neuholländer, Feigenrabatte entlang der Gartenmauer und zahlreiche Anzuchthäuschen und Mistbeete, sowie die Beete zum Aufstellen der Pflanzen im Sommer und Gartenland für ein- bis zweijährige Stauden.
Auch zeigen die überlieferten, aus verschiedenen Zeiten stammenden Pflanzenlisten im Generallandesarchiv in Karlsruhe, daß barocke Pflanzenlust von Anfang an nicht getrennt betrachtet werden kann von der Entwicklung der botanischen Wissenschaften. Von den 6000 Pflanzenbildern (!), die Markgraf Karl Wilhelm (1679-1738) Anfang des 18. Jahrhunderts malen und in dicken Folianten binden ließ, sind »die meisten im Zweiten Weltkrieg vernichtet « worden, schreibt Helmut Carolus. Es gibt also noch welche? Wo? Wer malte sie?
Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden im Auftrag von Karoline Luise von Hessen-Darmstadt (1723-1783), die mit Karl Friedrich (1728-1811) verheiratet war, 581, der ursprünglich beabsichtigten 10.000 Kupfertafeln (!), die nach den von Carl von Linné beschriebenen Pflanzen herausgegeben werden sollten. Von den Probedrucken ist nur noch einer vorhanden und zwar ein Bild von Veronica arvensis, dem Feldehrenpreis. Zumindest die Abbildung dieses Probedrucks hätte man sich gewünscht. Vielleicht schlummert ja in einem anderen Archiv doch noch der eine oder andere Probedruck dieser Reihe? Und wo sind die Kupfertafeln geblieben? Ein Kriegsverlust von 581 Platten müsste doch irgendwo dokumentiert sein?
Insgesamt wird also ein durchaus spannendes Material vorgelegt, daß allerdings mehr neue Fragen zur Orangeriekultur aufwirft, als beantwortet. Hier wird der Charakter der Veröffentlichung als Arbeits- und Diskussionsmaterial für nachfolgende Forscher besonders deutlich.
Der letzte Beitrag zu den Orangerien in Baden listet sieben noch erhaltene und daran anschließend acht zerstörte Orangeriebauten in alphabetischer Reihenfolge auf. Die kurzen Beschreibungen und bisherigen Befunde basieren auf den Forschungsergebnissen, die Simone Balsam im Rahmen ihrer kunsthistorischen, unveröffentlichten Dissertation: »Orangerien – Bauten im Spannungsfeld zwischen Architektur und Natur« 1990 in Marburg zusammenstellen konnte.
Rätsel gibt immer noch die 1584 im Untergeschoss des neuen Stall- und Remisenbaus des Baden-Badener Schlosses errichtete Orangerie auf. Wurde sie von Anfang an als Orangerie genutzt? Enthielt sie bereits zu dieser Zeit eine Pflanzensammlung? Dann wäre sie die früheste feste Gewölbeorangerie nördlich der Alpen! Das wäre eine kleine Sensation, denn in dem 1570 erschienenen Werk Androuet du Cerceaus »Les plus Excellens Batiments de France«, das die französischen Königs-Schlösser an der Loire darstellt, kann man noch keine solche Gewölbegalerie finden, wie sie dann z.B. in Frankreich in Meudon und in Versailles in der Zeit Louis XIV. durch die Rezeption der italienischen Vorbilder gebaut wurden.
Ein besonderes Kleinod stellt die 1774 errichtete Orangerie in Kloster Bronnbach dar mit ihren einzigartigen Freskodarstellungen in der Hohlkehle der Frontseite, die sowohl die Jahreszeiten als auch die Erdteile Europa, Afrika, Amerika und Asien darstellt. Das das weitgehend erhaltenen Gebäude demnächst zu einer Mensa ausgebaut werden soll, erscheint angesichts seines besonderen historischen und künstlerischen Werts vollkommen unverständlich. Die einzigartigen Orangeriepflanzen-Terrassen, die Kardinal Damian Hugo von Schönborn (1676-1743) in seiner Residenz in Bruchsal Anfang des 18. Jahrhunderts errichten ließ, seien zumindest erwähnt. In dieser Ausdehnung – vier abfallende Terrassen vor den zwei Orangerieflügelbauten in jeweils vierreihiger Aufstellung (!) – sind mir bisher keine vergleichbaren Orangerieterrassen in Deutschland bekannt. Ob es wohl noch Inventare aus dieser Zeit gibt? Auch die kleine, heute als Galerie genutzte Orangerie in Hugstetten verdient Erwähnung, da sie ohne vergleichbares Beispiel ist.
Die Vorträge zur Orangerie im Heidelberger »hortus palatinus«, das Pflanzenporträt »Die Agave« von B. Ulrich und die Vorträge zur Schwetzinger und Weikersheimer Orangerie enthält der Tagungsband nicht. Zu den Schwetzinger und Weikersheimer Forschungsergebnissen von Rosemarie Münzenmayer und Hubert Wolfgang Wertz erschien parallel eine eigenständige Veröffentlichung, herausgegeben von der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, den Staatlichen Schlösser und Gärten und dem Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e.V., anlässlich der 1999 erfolgten Wiedereröffnung des Schwetzinger Orangerieflügels »Der Süden im Norden. Orangerien – ein fürstliches Vergnügen«, Verlag Schnell + Steiner, Regensburg 1999. (ISBN 3-7954-1257-9). Hamanns Befunde zur Heidelberger Orangerie enthält sein Beitrag »Bemerkungen zur Entwicklung des abschlagbaren Pomeranzenhauses in Deutschland« in eben diesem Katalog (S. 24ff.). Das Pflanzenporträt der Agave wurde von Bernd Ullrich bereits in dem Sonderheft Nr. 21 des Frankfurter Palmengartens »Agaven: Illustrationen blühender Exemplare bis 1800« 1993 veröffentlicht.
Den Tagungsband Nr. 3 beschließt ein Beitrag von Katja Pawlak: »Die Geschichte der Schweriner Orangerie und eine Konzeption für ihre Nutzung. Die Fertigstellung der nach jahrelangen Restaurierungsarbeiten 2001 wieder genutzten Orangerie war ausreichend Anlass, die 24. Jahrestagung des Arbeitskreises Orangerien in diesem Jahr (2003) in Schwerin abzuhalten.
Insgesamt bietet der Tagungsband Nr. 3 eine gut lesbare, spannende Lektüre für alle an der Geschichte der Orangeriekultur Interessierten.