Die Orangerie-Sammlung der Herrenhäuser Gärten
Beitrag von Boris Schlumpberger, Melanie Kuiper-Lehner und Nandino Bailott
Seit über 300 Jahren sammelt und pflegt man Orangeriepflanzen in den Herrenhäuser Gärten. Heute zählen rund 1.000 Exoten aus aller Herren Länder zum Bestand.
Schon seit den Anfangsjahren der Herrenhäuser Gärten gehören Orangeriegewächse zum Pflanzenbestand. Bereits in Osnabrück, wo der spätere Kurfürst Ernst August vor der Regentschaft in Hannover weltlicher Bischof gewesen war, hatte seine Gemahlin Sophie eine Sammlung zusammengetragen. 1685 ließ sie diese nach Hannover kommen und in der Folge durch Zukauf ständig erweitern. Im Jahr 1714 waren 400 Orangenbäume und einige hundert andere Kübelpflanzen als Bestand verzeichnet, 1720 war der Bestand an Orangenpflanzen bereits auf 600 Stück herangewachsen. Die meisten Kübelpflanzen stammten aus dem Mittelmeerraum bzw. hatten bereits zuvor aus fernen Ländern im Mittelmeerraum Einzug gehalten: Oleander, Myrten, Zypressen, Granatapfel und Lorbeer sowie Zitronen- und Orangenbäume. Das klassische Sortiment der Orangeriepflanzen wurde durch den Hofgärtner Georg Ernst Tatter erheblich erweitert, als dieser bei seinem Dienstantritt 1734 seine Sammlung südafrikanischer und südamerikanischer Pflanzen mitbrachte. Über die Jahre sind viele Pflanzen aus fernen Ländern mit gemäßigtem, mediterranem oder subtropischem Klima hinzugekommen.
Heute umfasst die Sammlung der Herrenhäuser Gärten rund 1.000 Kübelpflanzen, die in den Sommermonaten Bereiche des Berggartens und des Großen Gartens sowie den Platz zwischen Orangerie und Galerie schmücken. Den Winter verbringen die meist frostempfindlichen Pflanzen in bis zu elf Meter hohen, nicht öffentlichen Überwinterungshäusern, seit die Orangerie ganzjährig für Veranstaltungen genutzt wird. Ein Teil der Sammlung wird stets hinter den Kulissen vermehrt und gepflegt.
Die Kübelpflanzensammlung Herrenhausens besticht zuallererst durch alte und ausgesprochen stattliche Exemplare. Darunter sind bis zu zehn Meter hohe Kanarische Dattelpalmen (Phoenix canariensis) mit einem Kronendurchmesser von sechs Metern. Stattlich sind ebenfalls die über 200 Jahre alten Zwergpalmen (Chamaerops humilis), ein 150 Jahre alter Stinkender Lorbeer (Ocotea foetens), der neuseeländische Metrosideros excelsa, die Steineibe Podocarpus neriifolius und die „Zimmertanne“ Araucaria heterophylla mit ihren bis zu 20 Zentimeter langen, schuppigen Zapfen. Etwas ganz Besonderes ist die vermutlich älteste Kübelpflanze der Welt, ein Granatapfelbaum (Punica granatum), der 1653 aus Venedig nach Hannover kam. Unverdrossen trägt das historische Exemplar in Herrenhausen noch immer jedes Jahr Laub und Blüten. Es handelt sich – eine Besonderheit bei historischen Exemplaren – um eine Sorte mit gefüllten Blüten.
Für einen Blütenreigen sorgen vor allem die vielen Wandelröschen (Lantana), Hibiscus und Fuchsien, meist als Hochstämme gezogen. Auch diverse Arten und Sorten der aus Südafrika stammenden Pelargonien werden in den Sommermonaten ausgestellt. Hinzu kommen Korallenbäume (Erythrina), schlanke Zypressen von vier Meter Höhe und verschiedene Palmen (z.B. Washingtonia filifera), große Palmfarne (Cycas revoluta), eine drei Meter hohe Faserbanane (Musa basjoo) und der knorrige, alte Olivenbaum (Olea europaea). Die erst 1994 in Australien entdeckte Wollemia nobilis ist ein besonderer Sommergast im Berggarten. Dort schmücken exotische Kübelpflanzen auch den verwunschenen Subtropenhof während der Sommermonate.
Wichtiger Bestandteil der Kübelpflanzen-Sammlung sind verschiedene strauchige Nachtschattengewächse wie zum Beispiel Engelstrompeten (Brugmansia), Glockenstrauch (Acnistus), Hammerstrauch (Cestrum), Baumtomate (Cyphomandra betacea), Veilchenstrauch (Iochroma) und der Enzianstrauch (Lycianthes rantonnetii). Viele dieser Nachtschattengewächse betören im Sommerhalbjahr im Nachtschattengang, gleich neben dem Orangenparterre, die Sinne der Besucherinnen und Besucher.
Ganz im Sinne der Tradition fürstlicher Gärten wird in Herrenhausen heute wieder eine Sammlung historischer Zitrusgewächse kultiviert. Die teils seltenen Arten und Sorten kamen aus unterschiedlichen Sammlungen nach Herrenhausen, wo sie veredelt und zu Schaupflanzen herangezogen wurden. Ein Großteil der Sorten lässt sich im noch erhaltenen Originalexemplar der „Nürnbergischen Hesperiden“ des Hofgärtners Tatter finden, z.B. die gestreifte Orange Citrus x aurantium ‘Virgatum‘, eine Sorte des 16. Jahrhunderts, oder Citrus ‘Sanctus Domenicus‘ aus dem 17. Jahrhundert. Aktuell finden sich in der Citrus-Sammlung der Herrenhäuser Gärten mehr als 70 verschiedene Arten und Sorten, darunter sowohl historische als auch moderne.
Zu Festräumen umgewidmete Orangerien in Herrenhausen -
Galerie und Orangerie der Herrenhäuser Gärten
Die Galerie ist heute das eindrucksvollste Gebäude in den Herrenhäuser Gärten. Hier hat, immerhin 83-jährig, Kurfürstin Sophie 1713 an der Hand von Zar Peter dem Großen mit einer Polonaise einen Maskenball eröffnet. Zwischen 1694 und 1698 war diese monumentale Orangerie für die Überwinterung der Pflanzen errichtet worden, entworfen vom kurpfälzischen Architekten und Baumeister Johann Peter Wachter. An der Grundstruktur des Gebäudes ist seit der Zeit der Kurfürstin bis heute kaum etwas geändert worden. Sie ließ, da es ihrer Meinung nach zu wenig Pracht im eigentlichen Schloss gab, den Mittelsaal in einen Festsaal umwandeln und die mit ihm verbundenen Seitenteile in schmuckreiche Wohnräume.
Von der Galerie aus gelangt man ins Orangenparterre, das eine Einheit mit der Galerie bildet und heute ein einzigartiger Pausenraum fürs Publikum bei Veranstaltungen ist. Kühlende Geräuschkulisse in den meist warmen Abendstunden ist eine Brunnenanlage mit historischen Bronzeskulpturen.
Die Galerie war bis 1719 der Winter-Stellplatz für Orangeriepflanzen, darunter die Orangenbäume, eines der wichtigsten Statussymbole der absolutistischen Herrscher. In der wärmeren Jahreszeit wurden die Pflanzen nach draußen in den schlichten Hof gestellt. Die heutige Form erhielt das Orangenparterre 1965 vom damaligen Gartendirektor Karl H. Meyer mit Buchsbaumornamenten, farbigen Marmorkiesen und den im Sommer aufgestellten Orangen-Hochstämmen in großen italienischen Terrakotten.
Die heutige Orangerie wurde 1720 als Fachwerkbau errichtet und löste die Galerie als Ort der Pflanzen-Überwinterung ab. Die noch heute erhaltene klassizistische, streng gegliederte Fassade erhielt die Orangerie 1819 von Georg Ludwig Friedrich Laves. Der lang gestreckte, schmucklose, in nüchternem Weiß gehaltene Saal wird allerdings seit gut 50 Jahren nicht mehr für das Überwintern der Pflanzen, sondern für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die wertvollen Kübelpflanzen werden seitdem während der kalten Monate in modernen Gewächshäusern gepflegt.
Weitere Informationen
Herrenhäuser Gärten: www.hannover.de/Herrenhausen »