Die Orangerien im Schlossgarten Charlottenburg
Beitrag von Marcus Weiß
Die Kultur von Zitrus und anderen Kübelpflanzen im Schlossgarten Charlottenburg blickt auf eine 300-jährige Tradition zurück. Diese begann kurz nach der Errichtung des Sommersitzes im Jahr 1695 unter Kurfürst Friedrich III., seit 1701 erster König von Preußen. Das über Jahrhunderte und mehrere Stilepochen anhaltende Interesse an den wertvollen Pflanzen spiegelt sich in der Präsenz gleich zweier Orangeriegebäuden – der Großen und der Kleinen Orangerie - im Park Charlottenburg wider.
Große Orangerie
Nach dem Vorbild von Versailles ließ König Friedrich I. die prunkvolle, galerieartige Große Orangerie durch Baumeister Johann Friedrich Eosander von Göthe errichten. Außer dem eigentlichen Zweck, der Pflanzenüberwinterung, sollte der Bau durch die dekorative Gestaltung der Fassaden die Schönheit der Gärten untermalen. Darüber hinaus dienten die Räume im Sommer als Promenade und luden zum Lustwandeln ein. Das 143 Meter lange und 10,30 Meter breite Gebäude wurde von 1709 bis 1711 unmittelbar westlich des Schlosses errichtet. Ein geplantes, spiegelbildliches Pendant im Osten kam nicht mehr zur Ausführung.
Architektonischer Höhepunkt war der rechteckige Pavillon im Mittelteil des Gebäudes, der die seitlichen Pflanzenhallen um ein Mezzaninobergeschoß überragte. Der prächtige Saal, über den der Eingang in das Gebäude und weiter in den Garten führte, war als reiner Repräsentationsraum mit viel Marmor, Stuck, Gold und Fresken dekoriert. Durch seine opulente Ausstattung wurde er im Rahmen höfischer Feste als Speise- oder Tanzsaal genutzt, auch Hochzeiten richtete man hier aus.
Die Wände der seitlich flankierenden Überwinterungsräume hingegen waren mit schlichten, stuckierten Doppelpilastern zwischen den Fenstern gegliedert. In den äußeren Eckbereichen der Räume standen je zwei große Gipsstauen mit Figuren der antiken Mythologie.
Für die Überwinterung der Pflanzen war das Gebäude entsprechend den technischen Standards der Zeit um 1700 ausgestattet. Die Temperierung der beiden Pflanzenhallen erfolgte durch eiserne Öfen. Eine optimale Luftzirkulation zugunsten der sinnvollen Wärmeverteilung und Feuchtigkeitsabfuhr war somit noch nicht möglich. Die dreizehn regelmäßig angeordneten Arkadenfenster an der Südseite des Gebäudes konnten keine ausreichende Beleuchtung der untergebrachten Pflanzen gewährleisten. Die Belichtungs- und Belüftungsbedingungen verbesserten sich mit den Belüftungsschächten in der Decke und später durch kleine, mit Läden verschließbare Fenster in der Nordfassade. Für den mittleren Pavillon ist seit der Zeit Friedrichs I. eine Fußbodenheizung überliefert.
Während des Ersten Weltkrieges ging durch Brennholzmangel der gesamte Orangeriepflanzenbestand ein. Die Große Orangerie wurde infolgedessen in den 1930er Jahren mehrfach unterteilt und zweckentfremdet. Es entstand ein Museum und Konzertveranstaltungen wurden durchgeführt. Nachdem der Ostflügel und der Mittelpavillon 1943 fast vollständig ausbrannten, rekonstruierte man das Gebäude im Hinblick auf eine dauerhafte Nutzung als Veranstaltungsort. Der ursprüngliche Charakter wurde durch den Einbau eines rötlichen Granitfußbodens sowie der Vergrößerung der nördlichen Fenster analog zur Südfassade maßgeblich verändert. Für die Unterbringung der verbliebenen Orangeriepflanzen standen mittlerweile neu errichtete Glashäuser am Rande des Parks zur Verfügung.
Kleine Orangerie
Die Kleine Orangerie entstand 1790 unter König Friedrich Wilhelm II. von Preußen südlich der Großen Orangerie und des Orangeriegartens. Das Gebäude wurde als reiner Zweckbau für die Unterbringung weiterer Orangeriepflanzen der stetig wachsenden Sammlung errichtet. Wer für das 93 Meter lange und 11,4 Meter breite Bauwerk verantwortlich zeichnet, ist nicht bekannt.
Jeweils flankierend zu der langgestreckten, nach Süden großflächig verglasten Pflanzenhalle erbaute man schlichte, zweigeschossige Pavillons mit Wohnungen für die Gärtner. Das zwischen die Bauten gespannte Gewächshaus hatte der Bestimmung seiner Innenräume entsprechend unterschiedliche Fassaden im Norden und Süden. Auf der Nordseite des Gebäudes, wo Ställe und Gesindestuben untergebracht waren, ist der Bau beiderseits eines monumentalen Portals in je dreizehn Fensterachsen gegliedert. Die aus 64 vertikalen Scheibenreihen bestehende Glasfassade der Südseite ist geneigt und schließt direkt an die Dachschräge an. Die Südfront war für die Gartenbesucher nicht sichtbar, da unmittelbar davor ein Wirtschaftshof des Hofgärtners mit weiteren kleinen Gewächshäusern angesiedelt war.
Die Überwinterungsquartiere des Gewächshauses waren zu zwei Dritteln für die Aufnahme von rund 150 Stück Orangerien bestimmt. Die restliche Fläche war zweigeteilt für die Unterbringung von Warm- und Kalthauspflanzen. Die Räume hatten eine Kanalheizung, deren Pläne erhalten sind.
1943 wurde auch die Kleine Orangerie bis auf die Eckpavillons und die Nordfront zerstört. In den 1970er Jahren erfolgte der Wiederaufbau des äußeren Baukörpers. Der Fußboden der Pflanzenhalle wurde teilweise wieder mit Tonfliesen hergestellt, die ursprünglich mit Holzstützen gefertigten Vertikalträger jedoch in Beton neu erbaut. Der Großteil des Gebäudes wird heute durch Büros, Wohnungen und Gastwirtschaft genutzt. Im Gegensatz zur Großen Orangerie wurde bei der Wiederherstellung der Kleinen Orangerie darauf geachtet, die neue Raumaufteilung ggf. rückgängig machen und das gesamte Gebäude wieder zur Unterbringung von Kübelpflanzen nutzen zu können. Gegenwärtig wird nur die westliche Hälfte des Gewächshauses zur Überwinterung von Zitrus genutzt.
Orangeriepflanzen im Garten
Die Aufstellungsorte des Orangeriepflanzenbestandes im Park änderten sich im Verlauf der vergangenen 300 Jahre mehrfach. Höhepunkt der Orangeriepflanzenpräsentation war in der Barockzeit der Orangengarten südlich der Großen Orangerie. Er nahm zur Mitte des 17. Jahrhunderts 360 Pflanzen auf.
Vor der Südfassade der Großen Orangeriehauses wurden zwei vertiefte Parterreflächen angelegt, getrennt durch einen mittleren Weg. Rechtwinklig und diagonal zur Mittelachse verlaufende Wege gliederten je vier Kompartimente. Der Kübelaufstellung lag ein raffinierter Rhythmus zugrunde, der sich an der Gebäudesymmetrie und dessen Fensterachsen orientierte. Aufgestellt wurden die Pflanzen zu Seiten der Wege auf Rasenbändern und entlang der Fensterfront der Orangerie. Man ging also überall, auch in den diagonalen Wegen zwischen zwei Pflanzenreihen hindurch. Am oberen Rand der Böschungen standen Taxuskegel. Doppelreihige Lindenalleen bildeten den östlichen, westlichen und südlichen Abschluss des Gartens.
Für das Todesjahr von König Friedrich I. 1713 wird von einer stattlichen Sammlung von 1200 Stück Orangerie berichtet. Auch die im 18. Jahrhundert auf den Thron folgenden Monarchen, insbesondere König Friedrich II., behielten diesen aufwendigen Zweig der Charlottenburger Gartenkunst bei und ergänzten den Bestand durch weitere Zukäufe. Um 1780 zählte man Orangen, Pomeranzen, Zitronen, Lorbeer und andere fremdländische Bäume zum Kübelpflanzenbestand. Hofgärtner Steiner führte zu Beginn des 19. Jahrhundert zahlreiche Treibhauspflanzen ein und pflegte seit 1806 stattliche 8800 Kübelpflanzen. Zu Ende des 19. Jahrhunderts verzeichnete man einen Zitrusbestand von rund 400 Exemplaren.
Unter Kaiser Wilhelm I. wurde der Orangengarten, nachdem er 1812 in einen Nutz- und Ziergarten im landschaftlichen Stil umgewandelt worden war, um 1870 wieder mit schlichten, geometrischen Formen erneuert. Im Zentrum zweier Rasenflächen standen die beiden barocken Sandsteinskulpturen Flora und Pomona in deren Umfeld, in Erinnerung an die einstige Gestaltung, wieder Zitrus präsentiert wurden. Bei der Neugestaltung berücksichtigte man die ehemals geometrische Grundstruktur der barocken Kompartimente, vernachlässigte jedoch die Übereinstimmung mit den Gebäudeachsen.
1955 kam es nach dem Wiederaufbau der Großen Orangerie auf Grundlage des überkommenen Bestandes zu einer geometrischen Gestaltung des Orangengartens. Die beiden Sandsteinskulpturen wurden in den Entwurf integriert und zu Mittelpunkten eines neuen Wegekreuzes gemacht. Oberhalb der Böschungen bildeten Blumenbänder den Abschluss des Parterres. Da zu dieser Zeit noch keine neuen Zitrus vorhanden waren, zierten Kübelpflanzen der vorallem im 19. Jahrhundert angeschafften Arten, wie Agapanthus, Syzygium, Oleander, Plumbago, Datura und Fuchsien den Orangengarten.
Seit 2004 wird der Aufbau eines neuen Pomeranzenbestandes, vorwiegend aus selbst herangezogenen Pflanzen, vorangetrieben. Vorgesehen ist, insbesondere dem Orangengarten wieder eine seinem Namen gerecht werdende Ausstattung zu verleihen. 2011 wurde ein Denkmalkonzept zur Aufstellung der Kübelpflanzen im Park Charlottenburg erarbeitet, welches sich derzeit in der Umsetzung befindet. Kübelpflanzen sind dabei neben dem Orangengarten auch im gartenseitigen Parterre, auf der Schlossterrasse, in der Umgebung des Neuen Pavillons und in den Bosketten vorgesehen.
Große Orangerie im Schlossgarten Charlottenburg
Foto G. Klein © SPSG
Innenansicht Kleine Orangerie im Schlossgarten Charlottenburg
Foto K. Schröder © SPSG
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