Die Orangerie im Klostergarten Neuzelle
bearbeitet von Ralf Mainz
In Zusammenhang mit dem repräsentativen Ausbau des Klosters Neuzelle in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Klostergarten unter Einbeziehung der Hänge und der Oderniederung als Barockgarten angelegt. Bereits unter Abt Martinus Graf (1727-41) begonnen, wurde der Ausbau der Außenanlagen des Klosters von seinem Nachfolger Abt Gabriel Dubau (1742-75) zielstrebig fortgesetzt.
In diesen Zeitraum fällt auch der Bau der Orangerie. Ein vergleichbares Gebäude mit einer derartigen Nutzung ist vorher nicht nachweisbar. Mit der Einbindung in die Gartenmauer zwischen Abt- und Konventgarten erhielt das Gebäude eine räumlich trennende Funktion. Gleichzeitig wurde sie prägender Bestandteil und zentraler Bezugspunkt im Achsensystem des Gartens.
Das ursprüngliche Aussehen der Orangerie lässt sich gut aus dem überlieferten Stichwerk des Stiftsatlas von Christian Albert Bohrdt ablesen. An der Ost- und Westseite des Bauwerks befanden sich offene Pavillons. Das Gebäude selbst war an der Nord-, Ost- und Westwand massiv errichtet, genauso wie der zweigeschossige Mittelrisalit mit dem rundbogigen Eingangsportal. Die südlichen Wände der Pflanzenstuben dagegen waren höchstwahrscheinlich aus einer verputzten Fachwerkkonstruktion errichtet worden. Das hatte vor allem den Vorteil, dass man viel größere Fensterflächen realisieren konnten. Eine ähnliche Bauweise ist heute noch an der Orangerie in Oranienbaum zu erkennen.
Durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses 1815 wurde die Niederlausitz von Sachsen an Preußen abgetreten. 1817 wurde das Kloster Neuzelle aufgelöst. Der preußische Staat errichtete in den Klostergebäuden ein Grundschullehrerseminar, das am 4. Januar 1818 eröffnet wurde. Aus dieser Zeit stammt auch die erste bekannte Inventarisierung des hiesigen Orangeriepflanzenbestandes. Hier wurden 144 Kübel verzeichnet, von denen mehr als die Hälfte noch aus der Zeit des Abtes Gabriel Dubau (um 1750) und mindestens 47 Kübel aus der Zeit des Abtes Edmundus Pietschmann (1775-1801) stammten. Außer 120 Zitronenbäumchen wurden auch 17 Pomeranzen, sechs Apfelsinen und eine 15 Jahre alte Buddleja (Sommerflieder) aufgelistet.
Einen Wendepunkt in der Entwicklung stellte die Verpachtung des Gartens mit dem Orangeriegebäude am 20.4.1840 an das im Stift Neuzelle befindliche Lehrerseminar dar. Bereits im Juni desselben Jahres wurde der Pflanzenbestand „mit ca. 100 großen Stämmen“ über das Amtsblatt öffentlich versteigert, was lediglich einen Erlös von 583 Talern brachte. Der Plan die Orangerie als Turnhalle für die Seminaristen zu nutzen, wurde ab dem Juni 1844 in die Tat umgesetzt. Dabei wurde die Südfassade aus Holz abgebrochen und durch massives Mauerwerk mit je drei rundbogigen Fensteröffnungen pro Pflanzenstube ersetzt. Dies geschah wahrscheinlich, um im Winter Heizkosten zu sparen. Bei der Errichtung der neuen Südwände wurden auch alte Fußbodenplatten der Orangerie verbaut. Außerdem wurde das Broderieparterre komplett aufgegeben und zum Turnplatz eingeebnet.
In den folgenden Jahren veränderten weitere Baumaßnahmen das Aussehen des Gebäudes teilweise sehr nachhaltig. Bereits 1867 fügte man kleine Fensteröffnungen in die Nordwand ein, um die Turnhalle besser belüften zu können. Spätestens um 1880 wurde das Mansarddach durch ein Satteldach ersetzt. 1891 wurden die Querwände des Mittelrisalites heraus gebrochen, um einen großen Turnsaal zu schaffen. Dafür wurden an Ost- und Westseite des neuen Raumes Querwände zur Abteilung kleiner Nebenräume eingezogen. Diese neuen Nebenräume wurden äußerlich durch das Herabsetzen des Satteldaches um 70cm vom eigentlichen Baukörper abgetrennt. Ebenso wurden die Fensteröffnungen verkleinert und tiefer gesetzt.
Um 1930 wurden an der Nordseite der Orangerie neue Sozialräume sowie ein Heizungskeller errichtet. Zu dieser Zeit wurde auch der Dachstuhl am östlichen Ende des Gebäudes wieder auf das alte Niveau gehoben. Am westlichen Teil erfolgte dieser Schritt wahrscheinlich erst 1957. Im Jahr 1975 erfuhr die Fassade nochmals eine Überarbeitung, wobei das gesamte Gebäude mit Zementmörtel verputzt und der Sockelbereich mit Spaltklinker verblendet wurde.
Mit der Errichtung der Stiftung Stift Neuzelle im Jahr 1996 begann auch für die Orangerie ein neuer Entwicklungsabschnitt. Zuerst wurde 1997 ein Vorentwurf erarbeitet und bereits 1999 der Abriss der nördlichen Anbauten aus dem 20. Jahrhundert realisiert. Als Grundlage für den Wiederaufbau der Orangerie als Pflanzenhaus mit temporärer gastronomischer Nutzung verwendete man den Grundrissplan von 1840 mit zwei Pflanzstuben und dazwischen liegenden Flur. Die Orangerie entspricht damit am ehesten dem Erscheinungsbild des 19. Jahrhunderts.
Die Decke des Gebäudes wurde als Einschubkonstruktion mit Lehmfüllung und unterseitiger Kalkverputzung wiederhergestellt. Als Fenster wurden einfach verglaste Holzfenster ohne Fugendichtung eingebaut. Der Fußboden wurde auf einer Packlage aus feinen und groben Kiesen ohne Sperrschicht und Dämmung errichtet. Er besteht nun aus niedrig gebrannten Scherben mit poröser Oberfläche in Kalkbettung. In jedem Pflanzenraum gibt es ein Wasserbecken. Heizung und Lüftung können zentral über einen Computer gesteuert werden.
Im Jahr 2004 konnte die Orangerie zusammen mit dem ersten wieder hergestellten Teil des barocken Klostergartens der Öffentlichkeit übergeben werden. Heute nach annähernd über 170 Jahren beherbergt das Orangeriegebäude in Neuzelle im Winter wieder einen Pflanzenbestand von 103 Zitrusbäumen und 18 anderen Kübelpflanzen. Im Sommer befindet sich im westlichen Flügel ein Kaffee, der östliche Flügel wird für kulturelle Veranstaltungen und Hochzeiten genutzt.
Weitere Informationen
Literaturhinweis: Alexander Niemann, Der barocke Garten des Klosters Neuzelle und seine Wiederherstellung, aus: Das Zisterzienserkloster Neuzelle, Bestandsforschung und Denkmalpflege, Arbeitshefte des BLDAM Nr. 15, 2007, Lukas Verlag, S.50 ff
Klosterstift Neuzelle: www.stift-neuzelle.de »
Ansicht Orangerieparterre
Foto © Stiftung Stift Neuzelle
Orangerie Neuzelle
Foto © Stiftung Stift Neuzelle
Orangerie Neuzelle im Winter
Foto © R. Mainz