Die Orangerie im Neuen Garten Potsdam
Beitrag von Marcus Weiß
Carl Gotthard Langhans erbaute ab 1791 im Auftrag König Friedrich Wilhelm II. eine Orangerie im Neuen Garten. Bereits 1792 wurde der repräsentative Bau südwestlich des Marmorpalais fertig gestellt und mit „60 der schönsten und größten Orangen aus dem Bestand von Sanssouci“ gefüllt. Das leicht asymmetrisch gegliederte Gebäude mit tempelartiger Portalvorhalle im Osten und einem kostbar ausgestatteten Festsaal als zentralen Mittelbau sollte „…etwas besseres werden als die unförmigen Holzschuppen von Sanssouci…“ Als Friedrich II. 1786 starb, waren im Park Sanssouci lediglich hölzerne Interimshäuser zur Überwinterung der Kübelpflanzen vorhanden. Die Forderung Friedrich Wilhelms II., ein Orangenhaus für den Neuen Garten nicht nur als Pflanzen-Winterquartier sondern auch für gesellschaftliche Zwecke zu nutzen, bestimmte Grundriss und architektonische Gestaltung des mit 24 Fensterachsen versehenen Gebäudes.
Beiderseits eines zentralen, aufgrund seines Dekors als „Palmensaal“ bezeichneten Festraumes, entstanden jeweils 25 Meter lange, 6 Meter breite und 6 Meter hohe Pflanzenhallen. Am Ende der Westhalle wurde ein separater, 9 Meter langer „Konservierraum“ für die Überwinterung der kränkelnden Pflanzen hinzugefügt. Für die Unterbringung der Kübelpflanzen stand damit eine Gesamtstellfläche von 344 Quadratmetern zur Verfügung.
Bei der technischen Ausstattung des Gebäudes kamen alle bisher beim Bau von Orangerien gesammelten Erfahrungen zur Anwendung, um für die empfindlichen Orangenbäume günstige Bedingungen zu schaffen. Beide Pflanzenhallen verfügten über ein geschlossenes Kanalheizsystem, welches von dem an der Nordseite des Gebäudes verlaufenden Heizgang aus befeuert wurde. Je zwei in den Fußoden eingelassene, gewölbte Heizkanäle sorgten für eine milde Temperierung der Hallen. Die den Kanal abdeckenden Eisenplatten speicherten die Wärme und strahlten sie ab. Der Konservierraum war mit einer separaten Kanalheizung ausgestattet, da für die Pflege der kränkelnden Pflanzen eine höhere Temperatur notwendig war. Die Fußböden waren mit offenporigen Tonplatten belegt, so dass überschüssiges Gieswasser schnell aufgenommen und später wieder verdunstet werden konnte. Atmungsaktive Deckenkonstruktionen aus einem Häcksel-Lehmgemisch trugen neben dem Schutz vor Kälte auch zur Reduzierung der Luftfeuchtigkeit bei. Für eine ausreichende Belüftung sorgten zudem alle zu öffnenden Fenster in Verbindung mit den verschließbaren Abzugslöchern in der Decke. Die in den Pflanzenhallen vorhandenen Gießwasserbecken erhielten ihre Standorte auf den Kanälen, so dass stets leicht angewärmtes Wasser zur Verfügung stand.
Einzigartige architektonische Qualitäten erhielt das Gebäude zum Einen durch die Portalvorhalle mit ägyptisierenden Skulpturenschmuck und zum Anderen durch den reich geschmückten Palmensaal im Mittelteil des Gebäudes. Beide Bauteile stehen in ihrer künstlerischen Ausschmückung und ihrem ikonographischen Deutungsgehalt in engem Bezug zur Nutzungsbestimmung des Gebäudes. Dem Architekten Carl Gotthard Langhans gelang es, in Zusammenarbeit mit namenhaften Bildhauern wie Johann Gottfried Schadow und Heinrich Friedrich Kambly, ein Gesamtkunstwerk klassizistischer Baukunst zu errichten.
Die Ausstattung des Palmensaales weist eine Vielzahl von vegetativen und naturnahen Dekorelementen auf. Aus Säulenstümpfen wachsen naturalistisch geschnitzte und gefasste Palmenbäume, die mit Ihren dunkelgrünen Blattkronen in den Deckenbereich hineinragen. Wesentlicher Bestandteil der Ausschmückung sind auch blühende Topfpflanzen, die anlässlich der Nutzung des Saals in farbigen, speziell für den Raum entworfenen Porzellangefäßen auf Wandkonsolen Aufstellung fanden. Entsprechend seiner Bestimmung als Konzertsaal war der Raum mit Sitzmöbeln ausgestattet.
Für die tempelartige Portalvorhalle der Orangerie fertigte Johann Gottfried Schadow ein ägyptisierendes Skulpturenprogramm an. Die Ausstattung mit einer Sphinx, zwei Osiris Stand-Schreit Statuen und zwei Dionysos-Hermen nahm Bezug auf die Funktion des Gebäudes. In den Figuren verbinden sich allegorische Fruchtbarkeitssymbole mit der traditionellen Wächterrolle beider Figurengruppen. Dionysos, der Schutzgott der Baumfrüchte, dem sogar die Goldenen Äpfel als Fruchtbarkeitssymbole heilig waren, ergänzte in den beiden Säulenpilastern neben dem Eingangsportal das ägyptisierende Skulpturenprogramm mit Aspekten der klassischen Mythologie.
Bis 1945 diente die Orangerie im Neuen Garten ununterbrochen der Überwinterung der größten und ältesten Orangenbäume der Hohenzollern in. Deren Präsentationsflächen im Park sind jedoch nicht für jeden Zeitraum zweifelsfrei nachweisbar. Sicher schmückten sie die unmittelbare Umgebung des Schlosses, die sich aber im Entstehungsjahrzehnt des Gartens mehrfach veränderte. Zudem verweist ein Plan des Gärtners Anton Ferdinand Fintelmann von 1793 auf die Wege- begleitende Aufstellung der wertvollen Bäume entlang landschaftlich gewundener Wege. Die Präsentationsform der ursprünglich im geometrischen Gestaltungskontext verwendeten Bäume passte sich damit der „neuen Mode“ des landschaftlichen Gartens an.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verschlechterten sich im Neuen Garten mit der Einrichtung eines „Parks der Kultur und Erholung“ für die sowjetischen Besatzungsmächte die Bedingungen für das Orangeriegebäude und den Pflanzenbestand massiv. Durch die völlige Überhitzung der Pflanzenhallen infolge der Nutzung als Offizierscasino ging der Großteil des Orangenbestandes ein. Nur wenige Exemplare blieben erhalten und konnten in die Große Orangerie nach Sanssouci verbracht werden. Nach der Rückgabe des Parks an die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten 1953 wurden in der östlichen Pflanzenhalle zunächst Werkstätten und Büros der Abteilung Restaurierung eingerichtet, in der westlichen Halle begann ab 1966 der erneute Aufbau eines gemischten Kübelpflanzenbestandes. Seit der Wiederherstellung des gesamten Gebäudes 1994 werden wieder beide Pflanzenhallen als Orangerie genutzt und mit den restaurierten, technischen Vorrichtungen von 1792 betrieben.
Einen herben Rückschlag erfuhren die Gärtner des Neuen Gartens, als im Winterhalbjahr 2004/05 der vollständige Bestand an Citrus aurantium aufgrund einer Pilzinfektion abstarb. Seit Sommer 2012 verfügt die Orangerie wieder über 40 junge Orangenbäume, die seit Sommer 2013 im Schlossumfeld des Marmorpalais im Neuen Garten präsentiert werden.
Orangerie im Neuen Garten Potsdam
Foto D. Lindner © SPSG
Innenansicht Überwinterung
Neue Pomeranzenbäumchen
Foto M. Weiß © SPSG
Nordostfassade mit Sphinx-Portal
Foto H. Bach © SPSG
Fensterfront Südostfassade
Foto H. Bach © SPSG
360°-Panorama |
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