Die Orangerie im Park Klein Glienicke
Beitrag von Marcus Weiß
Prinz Carl, dritter Sohn von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, erwarb im Jahr 1824 das Gut Klein Glienicke. Das ländliche Anwesen erfuhr bereits durch seine Vorbesitzer, Graf Lindenau und Staatskanzler Hardenberg seit 1796 eine umfangreiche, gärtnerische Ausgestaltung. 1816 legte der junge und erst kurz zuvor nach Potsdam berufene Gartengestalter Peter Joseph Lenné den Pleasureground als intensiv gestaltete Partie im Umfeld des Schlosses an.
Mit dem Erwerb von Park und Schloss übernahm Prinz Carl eine bereits bestehende und recht ansehnliche Sammlung von Orangeriepflanzen. Graf Lindenau ließ vermutlich bald nach dem Kauf des Gutes zwei Treibhäuser mit Gartensalon an der südwestlichen Parkgrenze, unweit des Schlosses errichten. Unter Staatskanzler Hardenberg, ab 1812 im Besitz des Anwesens, wurde die vorhandene Pflanzensammlung großzügig erweitert. Zahlreiche Orangeriepflanzen kamen bis 1815 von der Hardenberg`schen Herrschaft Tempelbergs östlich von Berlin nach Glienicke. Im Garteninventar von 1817 sind 132 Warm- und Kalthauspflanzen, darunter die für einen Privatgarten erstaunliche Anzahl von 39 Orangenbäumen, aufgelistet. Weiter hervorzuheben sind 162 Rosen in Töpfen und 130 Exemplare der noch nicht lange eingeführten Hortensie. Typische Orangeriepflanzen wie Lorbeer, Myrthen und Oleander waren hingegen nur in geringen Stückzahlen vorhanden.
König Friedrich Wilhelm III. ordnete im Frühjahr 1824 an, weitere Orangenbäume aus Sans Souci für Se. Königl. Hoheit den Prinzen Carl zu besorgen, sodass dieser, vermutlich kurz nach Bezug von Klein Glienicke, seinen Garten mit einer stattlichen Anzahl Zitruspflanzen schmücken konnte.
Im Zusammenhang mit den umfangreichen Umbaumaßnahmen des Schlosses wurde Karl Friedrich Schinkel auch mit dem Entwurf für einen Orangerieneubau an der Stelle des alten Gewächshauses beauftragt. Der vorhandene Bau vermochte mit dem kleinen Springbrunnen davor in keiner Weise den Beschauer auf einen fürstlichen Schlossbesitz vorzubereiten und sollte daher durch ein neues, dem Entréebereich angemessenes repräsentatives Gebäude ersetzt werden. Schinkel plante ein Gebäude, das durch seine schlichte und elegante Formensprache mit der Architektur des Schlosses korrespondierte und mit diesem eine stilistische Einheit bilden sollte. Der 1837 fertig gestellte Entwurf, an dem vermutlich auch Ludwig Persius mitwirkte, kam jedoch aus finanziellen Gründen nicht zur Ausführung. An der vorgesehenen Stelle errichtete man statt dessen 1840/42 einen Aussichtspavillon, das sogenannte Stibadium.
Konkrete Planungen für ein deutlich zurückhaltenderes, jedoch ebenso elegantes Gebäude entwickelte Ludwig Persius 1838. Ausgeführt wurde der aus Orangerie und Treibhaus bestehende Komplex in prominenter Lage nördlich des Schlosses ab 1839. Gemeinsam mit der Remise und dem Kavalierflügel entstanden im direkten Schlossumfeld eine Reihe eng verbundener Gebäude, die der konzeptionellen Leitidee der „ländlichen Idylle“ italienischer Villenanlagen verpflichtet waren. Die Gestaltung von Orangerie und Treibhaus entsprach damit dem von Persius intendierten, klaren Charakter eines Zweckgebäudes im Stile klassizistischer Baukunst. Die Orangerie erhielt mit Ihrer Fensterfront nach Südosten eine für den Gebäudetyp ungewöhnliche Ausrichtung. Eine weitere Besonderheit ist die zylinderförmig gebogene Glasfront des rechtwinklig zur Orangerie angeordneten Treibhauses. Für die Unterbringung der Orangen und anderer südlicher Gewächse stand eine 24 Meter lange und 8,5 Meter breite Pflanzenhalle mit ca. 160 Quadratmetern Stellfläche zur Verfügung. Die Fassade gliederte sich in fünf große Bogenfenster und elf kleine Schlitzfenster unterhalb des Traufbereiches zur Belüftung des Pflanzenraumes. Das Treibhaus bestand aus sechs kleineren Abteilungen, die durch Holztüren miteinander verbunden waren. Für die gebogene Fensterfront aus einer modernen Glas-Eisenkonstruktion ließ sich Persius wohl durch zeitgenössische englische Gartenliteratur inspirieren. Die Pflanzräume des Gewächshauses wurden vorwiegend für die Anzucht von Tafelfrüchten, insbesondere Pfirsichen, Kirschen, Pflaumen, Ananas und Erdbeeren, genutzt. Insgesamt bot das Gebäude eine Kulturfläche von ca. 90 Quadratmetern. Als gemeinsamer Eingang für beide Bauteile diente ein zentrales, durch einen Risaliten überdecktes Rundbogenportal im Mittelteil des Treibhauses.
Erwärmt wurden beide Pflanzenhallen durch ein Heizsystem mit Zirkulationswasser. Anders als bei den damals üblichen Kanalheizungen, diente angewärmtes Wasser in oberirdisch verlaufenden Rohrleitungen der Temperierung des Raumes. In zwei das Treibhaus flankierenden Türmchen, waren Wasserbehälter installiert, die vom großen Reservoir des Dampfmaschinenhauses gespeist wurden. Sie hielten stets Wasser für die Temperierung der Pflanzräume und zum Giessen bereit.
Über die Aufstellungsorte der zahlreichen Orangeriepflanzen im Park Klein Glienicke, insbesondere der Zitrusbäume, ist wenig bekannt. Schinkel sah in seinem ersten Entwurf für den Schlossumbau von 1825 bereits Orangeriepflanzen für die in dieser Form nicht realisierte Schlossterrasse vor. Nach der Umgestaltung des Schlossumfeldes unter Lenné ab 1816 dürften vermutlich bereits Pflanzen in lockerer, landschaftlicher Gruppierung im Pleasureground aufgestellt worden sein. Einzig belegt sind Orangeriepflanzen im Gartenhof des Schlosses nach Ansichten um 1837. Orangenbäume wurden hier entlang einer Hecke vor der windgeschützen Südfassade am Marstall präsentiert. Weitere Orangeriepflanzen befanden sich östlich der Orangerie auf einer Rasenfläche. Dieser Stellplatz diente wohl als „Krankenstation“ für nicht vitale Pflanzen.
Die entscheidende Nutzungsänderung von Gebäuden und Park erfolgte nach dem Tod des Prinzen Carl 1883 mit der Übernahme in den kommunalen Besitz. In der Folge kam es zu weitreichenden Veränderungen an den Gebäuden und dem gärtnerischen Umfeld. Mit den Eigentums- und Nutzungsänderungen ging auch das Interesse an der Pflege der Orangeriepflanzen zurück und kam schließlich zum Erliegen. Bis 1940 waren Orangerie und Treibhaus so stark verfallen, dass der Abriss erfolgte. Erhalten blieben lediglich die Grundmauern des südöstlichen Treibhauses und Teile des Pavillons am Eingangsportal. 1980/81 rekonstruierte man beide Gebäudeteile. Zum 100. Todesjahr des Prinzen Carl von Preußen 1983 wurden erstmals wieder 35 Orangen, 12 Pomeranzen und 10 Zitronen im Schlossumfeld präsentiert und in den neuen Pflanzenhallen überwintert.
Gegenwärtig überwintern neben den Kübelpflanzen von Klein Glienicke teilweise auch die Bestände der Pfaueninsel in der Orangerie. Aufgestellt werden die Pflanzen nach wie vor im Gartenhof, auf der Terrasse südlich des Schlosses und auf dem Stellplatz östlich der Orangerie.
Orangerie Klein Glienicke
Foto J. P. Anders © SPSG
Südfassade mit gebogenen Glashausfenstern
Foto D. Lindner © SPSG
Innenansicht Überwinterung
Foto J. Uhlig © SPSG
Ansicht Orangerie Südostfassade
Aufstellplatz "Krankenquartier"
Foto M. Weiß © SPSG
Gärtner »